darktaxa-project: interview, Achim Mohné - Michael Reisch, 10-2019

 

 

 

darktaxa in conversation: Achim Mohné spricht über REMOTEWORDS, Digital-analog Hybride, Geräusche von Fotos und parasitäre künstlerische Strategien. Im Gespräch mit Michael Reisch, 10-2019

 

 

Achim Mohné: "You are listening to the digital data packet of an analog photograph in the form of a digital sound recording while the sending of a digital image in an email via a router "     Sound Track / Audio Cassette

 

 

MR: Achim, kannst Du kurz erläutern wie Deine Arbeit „You are listening to the digital data packet of an analog photograph in the form of a digital sound recording while the sending of a digital image in an email via a router“ funktioniert? Wenn ich es richtig verstanden habe, hast Du den „Sound“ einer Router Antenne beim Verschicken eines Bildes aufgenommen?

 

AM: Der Router sendet keine Audiosignale, sondern nur elektromagnetische Wellen. Der Audiorecorder zeichnet keine elektromagnetischen Wellen auf, sondern nur Schallwellen. Ich habe aber die Mikrophone direkt an die Antenne gehalten, so dass die Energie in diese einstrahlt. Aufgenommen wurden die Signale des Routers, die er an den Computer sendet bzw. von ihm empfängt, aber nur während des Verschickens einer Mail, der ein Bild anhängt.

 

MR: Wie lang bzw. kurz ist so ein Signal?

 

AM: Das Senden der Mail dauert unter einer Sekunde, allerding sendet der Router mit 3,4 Gigahertz, das heißt er sendet 3,4 Milliarden Impulse pro Sekunde. Diese habe ich analog und digital bearbeitet, sie zeitlich auseinandergezogen und dadurch immer mehr verlangsamt. Aus einer Sekunde werden fast eine Stunde. Da es zwei Antennen gibt, einen rechten und einen linken Kanal, und jede mit einem Mikrophon abgenommen wurde, entstehen durch Stereo Technik auch sehr starke räumliche Effekte. Da die Aufnahme analog erfolgte, spielen auch andere Parameter eine Rolle, wie zum Beispiel die Akustik des Raums.

 

MR: Und was für ein Foto wurde da verschickt?

 

AM: Es war ein Bild des ersten Kassettenrecorders von 1963 ein Philips E 3300. Das Motiv habe ich gewählt, weil ich eingeladen war, für das belgisch-serbische Label „No Basement Deep Enough“ einen Soundtrack zu machen. Dieses Label vertreibt keine CDs, Vinyls oder Downloads, sondern ausschließlich Audio-Kassetten in sehr kleiner Auflage. Deshalb habe ich dieses Medium in den Vordergrund gerückt. Die Erfindung des Kassettenrekorders war wichtig für eine „antikapitalistische Verbreitung“ der Musik. Man konnte damit aufnehmen und Kopien machen, es war eine Art Vorläufer von Napster, dem Spotify als schlechte, gewinnorientierte Adaption folgte. Außerdem war das Magnetband als Speichermedium ein wichtiger Zwischenschritt digitaler Entwicklung.

 

 

Achim Mohné: Audio Casette / published by "No basement deep enough" Edition of 60

 

 

MR: Ist die Arbeit eher konzeptuell zu verstehen, oder hat das Werk als Soundfile auch einen ästhetischen Wert, kann man es sich als eine Art Musik anhören? 

 

AM: Beides. Es geht um die Idee, die Poetik des Trägermaterials und des Apparativen, aber auch um Musik. Über den Soundtrack würden sicher viele sagen Wie kann man sich das nur anhören. Für Freunde technoider Sounds geht da aber was. 

 

MR: Einmal über „Fotografie“ gesprochen, den Ausgangspunkt der Arbeit: ein anonymer Fotograf hat in den 70ern einen Kassettenrekorder fotografiert, also diesen in ein analoges Foto „übertragen“. Dieses Foto wurde dann, wiederum von jemandem den wir nicht kennen, in eine digitale Datei verwandelt und online gestellt. Diese Datei wurde von Dir im Netz „okkupiert“, verschickt bzw. digital „gesendet“ und so in ein Signal transformiert, dessen Sound Du aufnimmst und als Grundlage für Deine Arbeit nimmst. Der Kassettenrekorder durchläuft also verschiedene Zustände, er verwandelt sich mehrfach und wird transformiert. Über diese Verwandlung bzw. über diese Übergänge, die im digitalen Feld möglich werden und stattfinden, haben wir schon mehrfach gesprochen, ist das bewusster Teil Deiner Arbeit bzw. an welcher Stelle setzt Du hier an?

 

AM: All dies sind Sprünge zwischen digitalen und analogen Medien. Das analoge Bild wird, wie Du sagst, als digitale Kopie versendet, ein Bild wird in digitale Daten zerlegt, zu elektromagnetischen Wellen umgewandelt, die als analoge Schallwellen schließlich zu hören sind. Also alles digital-analog Hybride.

 

MR: Du bezeichnest Deine Arbeit an anderer Stelle allgemein als „parasitäre Besetzung bestehender medialer Systeme“, kannst Du das mal erläutern?

 

AM: Projekte wie REMOTEWORDS, das ich seit 2008 mit Uta Kopp betreibe, oder die MEGAPIXEL Serie sind eindeutig parasitäre Strategien, denn ich nutze keine Kameras, um meine Bilder zu fotografieren, sondern lasse sie von Google Satelliten erfassen. Ich stelle die Fotos nicht in einer Galerie aus, sondern in Google Earth selbst. Wie ein Parasit nutze ich dieses Distributionssystem des Tech-Giganten, wohlgemerkt ohne es zu fragen und nicht mit dem Zweck ihm zu dienen, sondern, im Gegenteil, um ihm etwas entgegenzustellen.

 

 

 

REMOTEWORDS (Achim Mohné & Uta Kopp): RW.17, KuKuK e.V., Aachen/Raeren, 2011

 

 

 

MR: Und auf diese Arbeit bezogen?

 

AM: Es gibt eine ganze Werkreihe von mir, und hier würde ich auch diese Arbeit einordnen, die mediale Maschinen umfunktioniert, sie nicht als das nutzt, wozu sie gedacht sind. Durch diesen Eingriff in die apparative Syntax entwickeln sie auch eine ganz eigene, ihnen nicht typische Semantik. Somit zeigen sie etwas neues, eine andere Seite. Dazu zählen die Arbeiten mit Restrauschen im Vinyl, Projektoren die nichts projizieren, geöffneten vernetzten Videorecordern, 16/8 mm Film Hybriden, dem Scannen von 3D Objekten mit herkömmlichen Scannern etc. Bei all diesen Beispielen folge ich Vilém Flussers Idee, den programmierten Apparat gegen sich selbst zu wenden.

 

MR: Gibt es einen politischen Aspekt bei Deiner Arbeit? Geht es auch um Wiederaneignung von Technologie? Wir haben schon mehrfach über die Hermetik von digitaler Technologie gesprochen, die ja durchaus auch gewollt ist von Entwickler bzw. Seite der Technologiekonzerne, und ein klares Machtgefälle herstellt zu uns „Consumern“, gehst Du dagegen an in Deiner Arbeit?

 

 

 

 

REMOTEWORDS (Achim Mohné & Uta Kopp): RW.36, Shenzhen Sculpture Exhibition, 2019

 

 

 

AM: Ja, definitiv, Wiederaneignung ist ein schönes Wort dafür. Im Falle von REMOTEWORDS ist es ein Détournement, ein „etwas entgegenstellen wollen“. Wir senden Google eine Message zurück, und zwar eine eindeutig politische, etwas wie im Projekt „OFF LIMITS FOR GOOGLE“ neben dem Brandenburger Tor oder „ASYL“ auf einem ehemaligen Grenzhaus, oder „ACCELERATED STANDSTILL“ auf einem Dach in der Metropole Shenzhen. Statt teurer Billboards nutzen wir Google Earth und andere virtuelle Globen, die eindeutig eine neue Form des öffentlichen Raumes darstellen, für eine weltweite Verbreitung von Botschaften, und das „for free“. Hier sind wir eben nicht mehr Consumer, sondern selbst aktiv, das Medium mitbestimmend, ähnlich dem Graffiti Sprayer in der Stadt, der die Hauswand nutzt. Das Konzept kommt also dem Wunsch der hermetischen Abschirmung der globalen digitalen Giganten nicht nach, sondern ist eher eine andere Art von „open source“. Es hat damit für mich auch eindeutig einen antikapitalistischen Aspekt, denn vergessen wir nicht, Google ist nicht die Heilsarmee, sondern ein Profitunternehmen.

 

MR: Was ist das für eine künstlerische Geste, ist das ein Hack? Ein anarchisches Untergraben? Oder ein Sichtbarmachen von z.B. kapitalistischen Machtstrukturen aus einer gewissen Distanz?

 

 

 

 

REMOTEWORDS (Achim Mohné & Uta Kopp): RW.5, Akademie der Kuenste Berlin, 2008

 

 

 

 

AM: Man könnte es als anlogen „Low-Tech-Hack“ bezeichnen, der digitale High-Tech-Sicherheit nur dadurch unterlaufen kann, indem er eine Sprache spricht, die das Programm nicht erkennt, weil sie analog, sozusagen unsichtbar für digitale Filter ist, mit Pinsel und Farbe manuell aufgebracht: Ein Text, der als Fotografie, als Luftbild oder Landschaftsfoto übermittelt wird. Distanz ist ein gutes Stichwort, daher auch der Titel REMOTEWORDS, ferne Worte: Durch den Blick aus dem All ist der Raum, der seit der frühen Industrialisierung schon stark schrumpft, noch stärker verdichtet, als dies Fernsehen, etc. bereist vorangetrieben haben. Flusser spricht vom „Telematischen“.

 

MR: Was heißt das für Dich im Zusammenhang zum elektronischen Bild?

 

AM: Am Beispiel der Bilder: Über die ersten, physisch fest mit einem Ort verbundenen Bilder, siehe z.B. die Höhlenmalerei, ging es über den mobilen Bildträger (Papier, Leinwand) zur Erfindung des technischen Bildes. Die Erfindung des fotografischen Bildes, durch das Negativ-Positiv-Verfahren erlaubte es, Bilder zu vielfachen Exemplaren an tausenden Stellen gleichzeitig zu haben, das elektronische, digitale Bild ist heute zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar. Das führt dazu, dass die Bilder uns heute nicht nur zur Verfügung stehen, sondern uns in eine Abhängigkeit leiten, uns quasi verfolgen, uns sogar „bedrohen“. Es gibt also überhaupt keine Distanz mehr. Somit gilt es digitale Bilder, ihre Distribution, Wahrnehmung und ihren Einfluss neu zu denken.

 

MR: Hast Du ein Beispiel dazu aus der MEGAPIXEL-Reihe?

 

 

 

 

Achim Mohné: 0,000672 MEGAPIXEL - CITIZEN TO BE SEEN FROM MARS

 

 

 

 

AM: Die Arbeit „0,000672 Megapixel - Citizen to be seen from Mars“ hat den von Dir angesprochenen Aspekt im Titel. Hier wird ein analoges Pixelmosaik, 12 x 14 Meter im Format, das das Konterfei Edward Snowden zeigt, über Google Earth verbreitet. So kann die persona non grata wenigstens virtuell wieder in die USA „einreisen“. Dieses „Überdenken müssen“ gilt aber auch für andere Formen digitaler Kultur: Das hier besprochene Experiment mit dem Router versucht etwas „Undefiniertes“ zu sein, ein „zwischen-Bild-und-Musik“. Denn Digitalität fasst heutzutage Text, Film, Sound und Fotografie in unseren (mobilen) oder häuslichen Devices zusammen. Das führt zu einer Art Unschärfe. Was diese neue Form der Wahrnehmung mit uns macht, wissen wir (noch) nicht, ebenso wie beispielsweise die Auswirkungen eines Routers auf unsere Gesundheit und Psyche. Den Router als reine Musik zu deuten, ist also nur eine Seite der Medaille.

 

 

 

Achim Mohné, Michael Reisch, 10-2019

Das Interview wurde am 22.10.2019 in Achim Mohnés Studio in Köln geführt.